Werk – In diesem Buch erzählt Loibl die wahre Geschichte eines brasilianischen Jugendlichen, der in den 1930er Jahren in Deutschland lebte und die Zeit des Nationalsozialismus erlebte. Die Erzählung basiert auf den Erinnerungen von Fernando Silva, der als junger Brasilianer nach Deutschland kam und dort mit den Schrecken des NS-Regimes konfrontiert wurde. Das Buch schildert seine Erfahrungen und Beobachtungen in dieser turbulenten Zeit, einschließlich der Propaganda, des alltäglichen Lebens unter der Diktatur und der Begegnungen mit dem aufkommenden Faschismus. VITA – Themen und Stil: Elisabeth Loibl ist bekannt für ihre poetische Sprache und die Beschäftigung mit tiefgründigen, oft existenziellen Fragen. Ihre Gedichte und Texte sind von Naturbildern, persönlichen Reflexionen und einer ruhigen, meditativen Atmosphäre geprägt. In einigen ihrer Werke thematisiert sie auch historische und kulturelle Erfahrungen. Elisabeth Loibl hat eine besondere Verbindung zu Brasilien und bringt dies in einigen ihrer Werke zum Ausdruck. Ihre zweisprachige Kompetenz ermöglicht es ihr, sowohl in Deutsch als auch in Portugiesisch zu schreiben, was in ihren Werken deutlich wird. Sie reflektiert in ihren Arbeiten oft über kulturelle Begegnungen und persönliche Erlebnisse, die ihr nahegehen. | Werk – „Memória de um adolescente brasileiro na Alemanha nazista“ ist ein eindrucksvolles Zeugnis, das die Perspektive eines jungen Ausländers in einem totalitären Staat darstellt und die Auswirkungen des Nazi-Regimes auf das Leben gewöhnlicher Menschen beleuchtet. Es bietet wertvolle Einblicke in die menschlichen Erfahrungen während dieser dunklen Periode der Geschichte. |
Leseprobe – Erstellt und übersetzt von Ricardo Braga Cardona im Mentorat mit der Übersetzerin Lea Hübner
Deutsche Übersetzung
Erinnerungen eines Teenagers in Nazi Deutschland
Das ist die Geschichte von Rodolfo Otto Loibl, eine Geschichte des Kommens und Gehens, aber wahrscheinlich mehr des Kommens als des Gehens. Meine Geschichte! Erst jetzt, mit 85 Jahren habe ich den Mut aufgebracht, meine Vergangenheit aufzuarbeiten und meinen Werdegang zu er-zählen als Bitte für den Frieden.
Um zu verstehen warum ich meine Jugend umgeben von Blut und Terror verbracht habe, müssen wir in die Vergangenheit reisen.
Otto, mein Großvater mütterlicherseits, kam vor dem Ersten Weltkrieg 1913 nach Brasilien. Aber der Krieg war nicht Hauptgrund für sein Kommen.
In der damaligen Zeit war es Usus, dass wenn sich ein frischvermähltes Paar von hohem Ansehen formte, der Bräutigam, abgesehen von der Braut noch eine Mitgift, eine beträchtliche Geldsumme bekam. Otto gab währenddessen das ganze Vermögen meiner Oma für Pferde und andere Luxus-güter der damaligen Zeit aus und dadurch verschlechterte sich Ihre finanzielle Situation dramatisch.
Eines Tages stieß er auf eine Zeitungsannonce, auf der Suche nach einem ausgebildeten Brau-meister, um in einer Brauerei mittlerer Größe in São Paulo zu arbeiten. Das war die perfekte Gele-genheit für einen Jungen, der an einer der renommiertesten Hochschulen, die im 14. Jahrhundert gegründet wurde, in Brautechnik ausgebildet worden war, sich zu beweisen.
Otto nahm die Herausforderung an und reiste per Schiff nach Brasilien, ein weit entferntes und un-bekanntes Land, sodass die meisten Leute dachten es würde fast nur aus Dschungel bestehen. Die Kommunikation verlief damals noch per Telegraph.
Zunächst kam Otto, um sich im neuen Land einzuleben. meine Oma, Sofia, meine Mutter und mein Onkel verblieben zunächst in Deutschland und warteten auf seine Nachricht nachzukommen. Aber das Leben machte alle Planungen zunichte, denn 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Plötzlich war meine Oma allein in einem Deutschland, das am Abgrund stand, mit zwei Kindern, um die sie sich zu kümmern hatte.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Bräuche und Mentalitäten noch andere und die Situation wurde für meine Großmutter zunehmend schwieriger – als Frau aus betuchtem Hause, aus einer kleinen konservativen Stadt, wo der Ehemann sich in ein Land aufgemacht hat, dass kaum jemand kannte, galt sie als verlassene Frau ohne jegliche Ressourcen. Sofia hatte zwei Schwestern, meine Großtanten, beide jung und Single. Damals waren Zweckehen aus finanziellen Gründen die Regel. Ein armes Mädchen, auch wenn sie noch so schön war, hatte kaum Heiratschancen. Durch den Krieg wurde die Situation noch schlimmer, denn dadurch waren die ganzen Männer an der Front. Meine Tanten haben nie geheiratet und sind „alte Jungfrauen“ geblieben und meine Oma lebte zu diesem Zeitpunkt auf Kosten ihrer Eltern und von ihrer Arbeit als Näherin. Sieben Jahre vergingen, genauer gesagt war es 1920, als sie sich wiedersahen. Sieben Jahre getrennt aufgrund des Krie-ges. Kriege sind schrecklich, sie verändern nicht nur maßgeblich die sozialen Strukturen, sondern auch das Leben der Menschen aufs Gröbste. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 und der damit verbundenen Niederlage Deutschlands musste der Kaiser abdanken. Das Land versank im Chaos, wachsende Arbeitslosigkeit, Inflation, Hunger, Unterernährung und Krankheiten waren die Folge.
Die Familien lebten in kalten, feuchten Zimmern, ohne Heizung, um dem extremen Winter stand-zuhalten. Bis zu 10 Personen lebten in der Unterkunft, in der man obendrein kochte, was dürftig war. Man schlief dort oder trocknete seine Wäsche. Wenig verwunderlich, breiteten sich somit auch Krankheiten wie Keuchhusten, Diphtherie, Lungenentzündungen und Tuberkulose aus und löschten ganze Familien aus. Es starben Millionen von Menschen an Hunger und die Selbstmordrate stieg mit jedem Tag. Die Bevölkerung hatte schlichtweg keine Perspektive. Das Leid Deutschlands war nach der Niederlage 1918 jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Genau diese bedauernswerte Situation öffnete Tür und Tor für einen Mann mit dunklen Haaren, stechendem Blick und einem lächerlichen Bart unter der Nase: Adolf Hitler, Gründer der NSDAP (geboren in Braunau, Österreich, am 20. April 1889).
Steckbrief und Übersetzung von Ricardo Braga Cardona im Mentorat mit der Übersetzerin Lea Hübner
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