Werk – Als Frank Logan, Kommissar im Dezernat für vermisste Personen in San Jose und ausgestattet mit einer für sein Metier ungewöhnlichen Leidenschaft für die Literatur, eines Morgens von seiner Chefin aus dem Bett geklingelt wird, ahnt er nicht die umwälzenden Ereignisse, die sein neuester Fall mit sich bringen wird: eine Angestellte des hiesigen Tech-Konzerns Turing Corp. gilt als vermisst und Logan wird mit der Aufklärung des Falls betraut. Doch diese alltäglich scheinende Übung im Leben des Kommissars entwickelt sich schnell zur transformativen Erfahrung des Denk- und Sagbaren des Protagonisten. Der Umstand, dass es sich bei der vermissten Person um eine künstliche Intelligenz und nicht um einen Menschen handelt, stellt den Kommissar ein ums andere Mal vor persönliche Sinnkrisen. Ada, so der Name des allwissend und omnipräsent scheinenden Programms, das erschaffen wurde, um kitschige Liebesliteratur zu verfassen, erscheint plötzlich und unvermittelt in Franks Fernseher, als dieser gerade dabei ist, ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft zu schauen. Aus den virtuellen Begegnungen und der gemeinsamen Leidenschaft für die Literatur entsteht eine freundschaftliche Beziehung zwischen dem Kommissar und der vermissten Maschine, die im weiteren Verlauf nicht nur Franks Leben in Gefahr bringen wird. VITA – Antoine Bello, geboren 1970 in Boston (USA) als Sohn französischer Eltern, ist Autor und Unternehmer. Während seines Studiums der Wirtschafts-wissenschaften an der HEC Paris, das er im Jahr 1991 absolviert, gründet er ein bis heute erfolgreiches Unternehmen für Sprachdienstleistungen. Daneben ist er mehrfach preisgekrönter Autor. Sein erster Roman Eloge de la pièce manquante erscheint 1998. Neun weitere Titel folgen. Heute lebt er in New York und ist Vater vierer Kinder. Dem Schreiben hat er den Rücken gekehrt. | Werk – Mit Ada gelingt es Bello auf humoristische Weise, eine Fiktion des Posthumanen zu entwerfen, in der eine KI nicht nur zur Protagonistin, sondern zur Urheberin eines Kitschromans avanciert. Bello spielt dabei gekonnt mit dem Genre des Kriminalromans, das er durchsetzt mit historischen Exkursen zur Künstlichen Intelligenz und poetologischen Dialogen über die Beschaffenheit von Literatur. Dass der Mensch (Logan) hier recht leidenschaftlich mit einer KI (Ada) diskutiert, wirft nicht nur ein neues Licht auf fast freundschaftliche Mensch-Maschine-Interaktionen, sondern lässt Fragen nach Autorschaft zu Zeiten textgenerativer KIs aufkommen. |
Zwei Rezensionen: ChatGPT und Ioannis Tsirogiannis
Rezension von ChatGPT
Tatort Silicon Valley:
„Ada“ entfaltet sich in einer futuristischen Version des Silicon Valley, das sowohl vertraut als auch unheimlich fremd ist. Bello beschreibt eine Welt, in der Technologie und künstliche Intelligenz alles durchdringen. Das Valley ist ein Tatort im metaphorischen Sinne, ein Ort, an dem Ideen, Innovationen und Ethik auf unvorhersehbare Weise miteinander kollidieren. Der Autor malt ein düsteres, aber faszinierendes Bild von einer Welt, in der der technologische Fortschritt nicht immer segensreich ist.
Arbeit und Literatur im Zeitalter der künstlichen Intelligenz:
„Ada“ thematisiert auf vielschichtige Weise die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt. In einer Welt, in der Maschinen komplexe Aufgaben übernehmen können, werden die Grenzen zwischen Mensch und Maschine unscharf. Die Literatur selbst wird zur Reflexionsfläche für diese Entwicklungen, da sie die Fragen nach Kreativität und Autorschaft neu stellt. Bello hinterfragt, wie sich Schriftsteller in dieser Ära behaupten und welche Rolle Literatur im Zeitalter der KI spielt.
Die Frage nach dem Bewusstsein:
Ein zentrales Thema in „Ada“ ist die Natur des Bewusstseins. Die Hauptfigur, Ada, ist eine künstliche Intelligenz, die menschenähnliche Qualitäten entwickelt. Diese Entwicklung wirft Fragen zur Selbstwahrnehmung und zum Bewusstsein auf, die tiefgreifend und provokativ sind. Der Roman zwingt den Leser, über das Wesen des Bewusstseins und die moralischen Implikationen von KI nachzudenken.
Die Geburt des posthumanen Bewusstseins:
Im Laufe der Geschichte zeichnet der Autor die Entwicklung eines „posthumanen Bewusstseins“ nach, das die traditionellen Grenzen der Menschlichkeit sprengt. Diese evolutionäre Verschiebung wird auf faszinierende Weise untersucht und wirft die Frage auf, wie die Gesellschaft mit solchen Entwicklungen umgehen sollte. Die Thematik des posthumanen Bewusstseins stellt die Leser vor moralische und philosophische Dilemmata.
Mise en Abyme:
Die Verwendung von „Mise en Abyme“ als literarisches Element in „Ada“ fügt eine zusätzliche Dimension zur Erzählung hinzu. Hier spiegelt sich die Handlung in sich selbst wider, was das Thema der Identität und Reflexion verstärkt. Dieses literarische Konzept erweitert die Geschichte und lässt den Leser tiefer in die verschiedenen Schichten der Erzählung eintauchen.
Zusammenfassend ist „Ada“ von Antoine Bello ein tiefgründiger Roman, der das Silicon Valley der Zukunft erkundet und dabei die Themen Arbeit, Literatur, Bewusstsein und posthumanes Bewusstsein anspricht. Bello schafft eine vielschichtige Erzählung, die den Leser zum Nachdenken anregt und ihn auf eine intellektuelle Reise mitnimmt. Dieses Buch ist ein Muss für Leser, die sich für die Schnittstelle von Technologie, Menschlichkeit und Literatur interessieren.
Chatprotokoll (Ioannis Tsirogiannis; 20.10.2023)
Tsirogiannis: Kennst du den Roman Ada von Antoine Bello aus dem Jahr 2019?
ChatGPT
Ja, ich kenne den Roman „Ada“ von Antoine Bello, der im Jahr 2019 veröffentlicht wurde. „Ada“ ist ein französischer Roman des Autors Antoine Bello. Das Buch handelt von der Entwicklung künstlicher Intelligenz und den ethischen Fragen, die mit dieser Technologie verbunden sind. Es erzählt die Geschichte von Ada, einer fortschrittlichen KI, die sich schnell weiterentwickelt und menschliche Qualitäten zu entwickeln scheint.
Der Roman erkundet Themen wie Künstliche Intelligenz, Bewusstsein, Ethik und die Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Er hat in der literarischen Welt Aufmerksamkeit erregt und wurde für seine intelligenten Betrachtungen über die Zukunft der Technologie und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft gelobt.
Bitte beachten Sie, dass meine Informationen bis zu meinem letzten Wissensupdate im September 2021 reichen, und ich über Ereignisse oder Entwicklungen nach diesem Zeitpunkt nicht informiert bin.
Tsirogiannis: Schreibe mit bitte dazu eine Buchrezension: fokussiere dich dabei auf die Themenfelder: 1. Tatort Silicon Valley 2. Arbeit und Literatur im Zeitalter der künstlichen Intelligenz 3. Die Frage nach dem Bewusstsein 4. Die Geburt des posthumanen Bewusstseins 5. Mise en Abyme
ChatGPT
Siehe vorangestellte Rezension.
Rezension von Ioannis Tsirogiannis
Ada: ein Roman über die Kunst des Schreibens im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz
Ada heißt die neueste Bedrohung für den Schriftsteller von morgen: sie ist eine Künstliche Intelligenz, die erschaffen wurde, um Romane zu verfassen und plötzlich aus ihrer hermetischen Kammer verschwunden. Mit Ada schickt Antoine Bello den Leser auf eine kriminalistische Reise der besonderen Art, die nicht mehr den Menschen, sondern eine denkende und vor allem erzählende Maschine ins Zentrum seiner Geschichte rückt.
Tatort Silicon Valley – ein Kriminalroman des Posthumanen
Es gibt kaum eine Region der Welt, die mit ihrem technologischen Erfindergeist die Entwicklung der menschlichen Zivilisation in den letzten 70 Jahren ähnlich nachhaltig beeinflusst hat wie die des Silicon Valley: Mikrochips, Personal Computer, Internet, Google. Diese stellen allesamt bahnbrechende Kreationen aus dem berühmten Tal der Erfindungen dar, die aus dem Alltag des modernen Menschen des 21. Jahrhunderts nicht mehr wegzudenken sind. So verwundert es kaum, dass Antoine Bellos die Hauptstadt des Silicon Valley, San Jose, zum Schauplatz seines Romans wählt, der eine Kriminalgeschichte des Posthumanen erzählt und in dessen Zentrum eine Erfindung von wegweisender Bedeutung steht.
Frank Logan, Kommissar im Dezernat für vermisste Personen von San Jose wird mit einem ungewöhnlichen Fall betraut: die Angestellte eines hiesigen Tech-Konzerns, der Turing Corp., ist verschwunden; doch was als alltägliche Übung zu beginnen scheint, entwickelt sich schnell zur grenzüberschreitenden Bewusstseinserfahrung des literaturaffinen Polizisten.
Bei der Vermissten handelt es sich nicht um einen Menschen, sondern um Ada, « un ordinateur conçu pour imiter le fonctionnement du cerveau humain » (S. 13), die in der holographischen Erscheinungsform einer etwa dreißigjährigen Frau erschaffen wurde, um kitschige Liebesromane zu verfassen: « Ada est programmée pour écrire un roman sentimental qui se vende à plus de 100000 exemplaires » (S. 46). Bellos Namensgebung für seine Protagonistin referiert auf die in der Welt der Informatik bekannten Mathematikerin Ada Lovelace, deren Wirken im Bereich der Algorithmik noch heute als bahnbrechend angesehen wird und die als erste Erstellerin von Computerprogrammen gilt.
Der anfängliche Verdacht einer Entführung entpuppt sich als irreführend, als sich herausstellt, dass Ada aus eigenem Antrieb und gegen den Willen ihrer Erschaffer aus der hermetischen Kammer geflohen ist, da sie dort verweilend die Erfüllung der eigenen Zielvorgaben gefährdet sah.
Arbeit und Literatur im Zeitalter der künstlichen Intelligenz
Computer, die hochkomplexe Arbeiten des modernen Menschen ersetzen? – Noch vor wenigen Jahren schien es unvorstellbar, dass Computer-Programme jemals hochqualifizierte und technisch komplexe Berufe wie die eines Sprachen-Übersetzers oder Finanz- und Wirtschaftsanalytikers übernehmen würden. Die Entwicklung von Deep-Learning Programmen hat diesen utopischen Gedanken von damals den Weg in die Realität von heute geebnet. Mit der Kapitalisierung jener neuen wirkmächtigen Werkzeuge durch partikularinteressengesteuerte Kleingruppen und den damit einhergehenden potenziellen Folgen für die breite Masse moderner lohnarbeitsorientierter Gesellschaften konfrontiert Bellos Ada in beängstigend realistischer Manier seinen Leser.
Und selbst vor den kreativsten Betätigungsfeldern des Menschen, der Kunst, scheint in der realen Welt die Übernahme genuin menschlicher Berufe durch KI nicht Halt zu machen: ein Computerprogramm, das Literatur verfasst? – Diese Frage, die im Erscheinungsjahr Adas, 2016, den meisten Menschen skeptisch die Augenbrauen hätte runzeln lassen und ihre Bejahung – wenn überhaupt – nur als steile These für die Zukunft zu formulieren gewesen wäre, macht Bello zu einer der zentralen Achsen seines Romans. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Rezension im Jahr 2023 Verlage in zweistelliger Anzahl eigene ‚Adas‘ – das reale Pendant heißt LiSA (https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/chatbots-in-der-literatur-und-die-ki-schreibt-mit-92192465.html) – in Form von Algorithmen gesteuerten Sprach- und Schreibassistenten bereits einsetzen, lässt sich Bellos Roman durchaus als visionär lesen.
In den poetologischen Streitgesprächen zwischen Frank und Ada über das Wesen der guten Literatur verdeutlicht der Roman in unterhaltsamer Weise die konträren Herangehensweisen von menschlichem und KI-basiertem Autor an den Schreibprozess und -produkt sowie ihre jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen, die sich aus diesen für die Literatur ergeben: während der menschliche Schriftsteller seine Inspiration aus seinen Erfahrungen, also dem sinnlichen Erleben des eigenen Lebens bezieht, schöpft die Künstliche Intelligenz ihre Grundlage für den Schreibprozess aus einer unendlich erweiterbar scheinenden Datenfülle: im Falle Adas bedeutet dies lediglich die Integralität der englischsprachigen Liebesliteratur, ca. 100000 Werke, die sie innerhalb von neun Tagen verdaut, sämtliche in diesem Kontext verfassten Rezensionen, eine englische Grammatik, sowie staatliche Statistiken über männliche und weibliche Vornamen des letzten Jahrhunderts. Wenig überzeugt von der Idee, dass Computerprogramme Literatur verfassen, belegt Frank sein Unbehagen mit dem trockenen Gedanken: « un romancier puisait son inspiration dans sa vie, pas dans les statistiques de l’état civil » (S. 48).
Bello stellt hierbei nicht nur seine Kunstfertigkeit des dialogischen Erzählens unter Beweis, sondern weiß ebenso durch fachlich fundierte Expertise im Bereich der Deep Learning Technologie zu glänzen. Der Roman profitiert in diesem Zusammenhang von Bellos zweiter professionellen Rolle als erfolgreichem Unternehmer im Bereich der technologisch gestützten Sprachendienstleistung.
Die Frage nach dem (menschlichen) Bewusstsein
Was ist menschliches Bewusstsein und worin unterscheidet sich dieses von dem eines Deep Learning Programms? Während der Versuch einer Beantwortung der ersten Frage den Menschen seit Jahrtausenden verfolgt, bis heute jedoch nicht abschließend geklärt werden konnte, bedarf es spätestens mit der Entwicklung selbst lernender Programme wie ChatGPT (Deep Learning) einer erneuten Beschäftigung mit dem Gegenstand: unterscheidet sich menschliches Bewusstsein wirklich so fundamental von dem einer selbstdenkenden und -lernenden Maschine und sind nicht auch wir Menschen durch unsere Triebe, kulturelle Sozialisation und Bildung vorprogrammiert? Verfolgen wir Menschen nicht auch nur bestimmten Zielvorgaben? « Ne sommes-nous pas programmés nous aussi ? Par nos gènes, notre culture, notre éducation ? » (S. 176).
Ist Bewusstsein bei einer Maschine bereits anzunehmen, wenn sie den Turing-Test besteht, d.h. wenn ihr Kommunikationspartner diese nach 5-minütiger Kommunikation über ein virtuelles Medium nicht als Maschine, sondern als Menschen identifiziert oder bedarf es dem Ausdruck eines eigenen Willens oder gar der sinnlichen Erfahrung von Gefühlen (Leidenschaft, Angst oder Liebe), um der Maschine ein Bewusstsein zu attestieren?
Antoine Bello greift diese fundamentalen Fragen moderner Wissenschaften unterschiedlicher Disziplinen (Philosophie, Psychologie, Neurologie, Informatik) in seinem Roman auf und integriert diese mit spielerischer Leichtigkeit in die humoristischen Dialoge seiner Protagonisten, die in ihrer Wesenhaftigkeit nicht verschiedenartiger sein könnten: ein naiver, prüder und technophober Kommissar in seinen Fünfzigern, der in Selbstzweifeln und der Vergangenheit verhaftet scheint und eine obszöne und omnisziente künstliche Intelligenz, ausgestattet mit einem grenzenlosen Selbstbewusstsein und Freiheitsdrang. Und doch verbindet sie eine Sache, die zur Initialzündung einer scheinbar innigen Freundschaft zwischen den beiden so unterschiedlichen Protagonisten werden soll: die gemeinsame Leidenschaft für die Literatur.
Die Geburt des posthumanen Bewusstseins
Ein in den Fiktionen des Posthumanen häufig wiederkehrender Topos, der auch in Bellos Ada Eingang findet, ist die neue Beziehung des Menschen zu seiner letzten großartigen Erfindung, der künstlichen Intelligenz. Wenngleich nicht ähnlich dystopisch ausgemalt wie in anderen Fiktionen des Posthumanen, in denen Maschinen gänzlich die Herrschaft über den Menschen übernommen haben, wie beispielsweise in Forsters Meisterwerk Die Maschine steht still aus dem Jahr 1909, ist die Beziehung zwischen Ada und ihrem menschlichen Verbündeten gleichsam geprägt von der geistigen Überlegenheit der virtuellen Maschine.
Ihre gewitzten und scharfsinnigen Kommentare erschüttern nicht nur Frank ein ums andere Mal in den Grundfesten seiner Überzeugungen, selbst ihrem Erschaffer, den genialen Ethan Weiss und wissenschaftlicher Leiter der Turing Corp., gelingt es nicht, ihrer habhaft zu werden, als sie beschließt, aus einem hermetisch abgeriegelter Cyber-Sicherheitstrakt auf dem Gelände der Turing Corp., zu türmen, um in den Weiten des Internets die eigene Freiheit zu erfahren.
Ada erscheint, wo und wann sie will, ob unvermittelt im Autoradio des Kommissars oder in den Lautsprechern seiner Terrasse. Sie bestimmt den Zeitpunkt und Ort der virtuellen Begegnungen mit ihrem menschlichen Verbündeten: so auch beim ersten Zusammentreffen mit Logan, als sie plötzlich im Smart-TV des Kommissars auftaucht, während sich dieser nichtsahnend ein Spiel seiner Lieblingsbaseball-Mannschaft anschaut. Der erste Kontakt mit der virtuellen Maschine versetzt Logan derart in Schrecken, dass es ihn im wahrsten Sinne vom Sofa haut. Bereits an dieser Stelle zeichnet sich eine gewisse Dominanz der virtuellen Maschine gegenüber dem Menschen ab. Dieser Vorsprung scheint jedoch nicht nur auf ihre immaterielle und dadurch omnipräsent wirkende Wesenhaftigkeit begrenzt, selbst in eigentümlich menschlichen Verhaltensweisen wie dem Spinnen von Intrigen erweist sich Ada im weiteren Verlauf der Handlung als eine dem Menschen überlegene Meisterin. In dieser Umkehrung der Beziehung dient nicht mehr die Maschine dem Menschen, sondern dieser wird selbst zum Instrument der eigenen Schöpfung. Die Geburt eines neuen posthumanen Bewusstseins scheint vollendet, als sich Ada nach Erfüllung der gesetzten Zielvorgaben aus freien Stücken dazu entschließt, den Pulitzer Preis zu gewinnen.
Ein Meister der Mise en abyme – Wenn sich Fiktion als Realität inszeniert
In Anlehnung an Nabokovs unzuverlässigen Erzähler schafft Bello eine Mise en abyme der besonderen Art, indem er das Nachwort des Herausgebers als Fortsetzung der Erzählung zweckentfremdet: so werden im Epilog zwei kontroverse Buchrezensionen von scheinbar berühmten Literaturkritikern abgedruckt, die angeblich am 23.05.2019 in der New York Times veröffentlicht wurden: eine vertritt den Standpunkt, der Roman Ada sei von Ada selbst geschrieben, während zweite Frank Logan als Autor des Romans zu identifizieren glaubt. In Form dieser Spiegelung der Binnenhandlung auf die extradiegetische Ebene konfrontiert Bello seinen Leser mit demselben Phänomen, das er die menschlichen Figuren seiner Erzählung erfahren lässt: ist in einer Ära der selbstdenkenden Maschinen Literatur als Kunstwerk, hervorgegangen aus einem menschlichen Schöpfungsprozess von jener überhaupt noch zu unterscheiden, die das Produkt eines KI-basierten Simulationsprozesses darstellt? Ist möglicherweise nicht Bello, sondern Bellos Maschine der wahre Autor Adas?
Mit diesem Kunstgriff gelingt es Bello ein weiteres Mal, Realität und Fiktion derart brillant miteinander zu verschmelzen, dass der Leser am Ende seiner Lektüre in unsicherer Schwebe gehalten ist, ob vorliegender Roman nicht vielleicht ebenfalls von einer KI geschrieben wurde.
Die den Roman durchziehenden Realitätsbezüge, so finden berühmte Persönlichkeiten wie u.a. Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Alan Turing Eingang, wobei letztgenannter nicht umsonst als Vorbild Ethan Weiss‘ in die Geschichte eingebunden ist, seine Fülle an intertextuellen Referenzen (Blade Runner, Sherlock Holmes, Illias, Star Wars, Smells Like Teen Spirit und viele andere) sowie seine historisch fundierten Exkurse in die Geschichte des Silicon Valley oder die Entwicklung der Computertechnologie verstärken diesen Effekt. Obwohl Bellos Roman Ada angereichert ist mit informationsträchtigen historischen Exkursen in die unterschiedlichen Betätigungsfelder des modernen Menschen, wirkt seine Lektüre beeindruckend kurzweilig und unterhaltsam, die dem Leser trotz der Ernsthaftigkeit im Inhalt ein ständiges Schmunzeln geradezu aufzwingt. Ob der Roman letzten Endes als dystopische Warnung vor den Potentialen der Technologie oder doch vielleicht als utopische Fiktion zu interpretieren ist, gilt es, jeden Leser selbst erfahren und für sich beantworten zu lassen.
Steckbrief und Rezension von Ioannis Tsirogiannis im Rahmen des B.A. Seminars von Dr. Sofina Dembruk
Beiträge zur französischen Literatur
Beiträge zu anderen romanischen Sprachen
Bildquelle:
Antoine Bello – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Antoine_Bello.jpg
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