Werk – „La vida es un cuadro de Hopper“ stellt sich als ein originelles Werk heraus, welches als gleichermaßen melancholisch, witzig und bewegend charakterisiert werden kann. Es erzählt die Geschichte von Pablo, der nach Madrid zieht, um Schauspieler zu werden. Doch statt seinen großen Traum zu erfüllen, wandert er durch die Stadt und nimmt ihre einzigartige Atmosphäre ein. So wie die Gemälde des amerikanischen Malers Edward Hopper, zeigt sich nun Madrid von einer neuen Seite und lässt die Leser diese Stadt nie wieder auf dieselbe Weise betrachtend zurück.    

Vita – Der Drehbuchautor Carlos Langa wurde 1977 in Barcelona geboren. Er arbeitete an Sendungen wie „Likes“, „El cielo puede esperar“ oder „El Condensador de Fluzo“. Bekanntheit erlangte er durch sein Instagramaccount, auf welchem er eine Fotoserie einiger Zeichnungen Edward Hoppers postete und sie mit eigenen Dialogen ergänzte. Dies war die Inspiration für seinen Debutroman „La vida es un cuadro de Hopper“.
Werk – Viele Gründe sprechen dafür, dieses Buch ins Deutsche zu übersetzten. Einerseits überzeigt die originelle Idee der Handlung: diese mit einem Gemälde eines modernen Malers in Verbindung zu bringen.Andererseits richtet sich der Roman vor allem an das jugendliche Publikum. Dies ist ein wichtiges Argument, da Kinder- und Jugendliteratur sich nach der Belletristik der größten Beliebtheit unter den deutschen Lesern erfreut.

Leseprobe – Erstellt und übersetzt von Daria Patrycja Barczyk im Mentorat mit der Übersetzerin Lea Hübner

Deutsche Übersetzung


6

Sonnenlicht in einer Cafeteria

Sunlight in a cafeteria, 1959 Öl-auf-Leinwand, 102,2 x 152,7cm

Ich hielt die Jalousie zum Innenhof meiner Wohnung immer geschlossen. Wenn ich drinnen war, schob ich auch den Riegel vor die Tür. Es ging eigentlich nur darum, eine böse Überraschung auszuschließen, denn nachdem sie mir meinen Laptop gestohlen hatten, war da nicht mehr viel da, um es mitzunehmen. Aber wahrscheinlich bringt dich die Angst, ähnlich wie die Liebe, dazu lächerliche Sachen zu tun.

Ich hatte weder eine Klimaanlage noch einen Ventilator. Die Hitze in meiner Wohnung war nur dann erträglich, wenn ich schlief und als ich aufwachte, musste ich da raus, um Luft zu schnappen. Ich stand auf und holte mir ein Glas Wasser. In der Küche packte Lito Hähnchenstücke zum Einfrieren ein. Die Begrüßung zwischen uns beiden war kaum hörbar. Der Sevillaner war nur mit einer kurzen Jogginghose bekleidet. Jeden Tag wurde seine Haut dunkler und er muskulöser. Auch blöder. Lucas unterbrach die Stille mit einem lauten Türknallen, als er die Wohnung betrat. Er erschien in der Küche mit einem seiner Hawaiihemden und einem breiten Grinsen im Gesicht. Er gehörte zu den Menschen, die mit den Augen lachten. Er war gut drauf.

»Werft euch in Schale. Ich lade euch heute zum Essen ein. Wo ihr wollt.«, sagte er.

»Ich kann nicht. Muss um zwei auf Arbeit sein.«, antwortete ich.

»Ich treffe mich mit einem Mädel.«, antwortete Lito.

Lucas gab sich nicht geschlagen und beharrte: »Egal. Ich lade euch zum Frühstück ein. Mensch, seid ihr traurig.«

Lucas hatte vor Jahren ein Gerichtsverfahren wegen einer rechtswidrigen Entlassung gewonnen und diesen Morgen hatten sie ihm seine Abfindung überwiesen. Um die zwölftausend Euro. Genügend um eine Weile ohne Arbeit zu leben und zu einem kompletten Frühstück einzuladen.

Wir gingen in eine von der Wohnung zehn Minuten entfernte Bar. Es war einer dieser Läden, die das typische American Diner zu imitieren versuchten. Wir setzten uns an einen Tisch gleich am Fenster. Wir bestellten Saft, Eier mit Bacon, Pancakes, Waffeln, Kaffee und Eis.

»Ich erwarte ein Urteil zu einer rechtswidrigen Entlassung«, teilte uns Lito mit. »Ich kriege 30.000 Euro von denen.«

Weder Lucas noch ich wollten dem Thema weiter auf den Grund gehen. Egal was man sagte, Lito setzte immer einen obendrauf. Egal, ob es etwas Gutes oder Schlechtes war. Immer hatte er das alles schon mal gemacht, und zwar besser. Zum Beispiel: Wenn du erzähltest, dass du dir ein neues Auto gekauft hattest, erwiderte Lito schamlos, dass er einen Maserati besessen hatte und setzte nach: „sowas bist du noch nie gefahren“. Wenn du von deinem Herzproblem berichtetest, antwortete er, dass er als Kleinkind am offenen Herzen operiert worden war und dass er danach vier Monate im Krankenhaus verbringen musste und kam dann zu dem Schluss: „Von sowas erholt sich nicht jeder, erst recht nicht du.“ Er ging nicht mal höflichkeitshalber auf dein Gesagtes ein. Er musste es sofort in den Schatten stellen und mit dem Seinen niedermachen. Er gehörte zu den Menschen, die alles „besser, schneller, lauter“ erlebt hatten.

»Als ich noch ein Stöpske war…«, fuhr Lito fort. »war das Frühstück, das sie uns im Familienschloss servierten, spektakulär. Die Tafel glich einem Luxusbuffet.«

»Du bist reich?«, fragte Lucas.

»Ich war es. Wir hatten Bedienstete in jedem Haus.«

Lito log nicht.

»Heute musst du nicht hungern.«, sagte Lucas. »Iss als ob wir in deinem Schlösschen wären und du das reiche Kind wärst.«

Wir waren mit den Pancakes fertig und bestellten eine Runde Schokoladenwaffeln und mehr Kaffee. Wir fragten, ob sie Churros hätten. Sie hatten keine.

Lucas arbeitete am Wochenende nachts. Er war in der Logistikabteilung einer Spedition beschäftigt. Er musste nichts Wildes machen, sodass er im Büro Filme gucken und lesen konnte. Das, was er verdiente, reichte, um unter der Woche zu leben und Spaß haben zu können. Es wurde nie öde. Er kannte keine Langeweile. Er betonte, dass er es interessant fand unvorhersehbare Sachen zu machen, nur um zu sehen, was passierte.

Bevor wir mit dem Frühstück fertig waren, fragte ich ihn nach den Paketen, die er praktisch jeden Tag bekam. Er erzählte mir, dass er die Idee von einem Typen kopierte, auf den er auf einer Internetseite gestoßen war. Zwei Monate lang schrieb er per Hand Briefe an mehr als tausend Firmen, in denen er erklärte, dass er ein großer Bewunderer der Marke war und dass er die Produkte schon sein ganzes Leben lang nutzte. Die Firmen waren gerührt und bedankten sich für die Geste mit einigen ihrer Produkte und erwiderten die Aufmerksamkeit. Lucas fügte seinen Briefen noch ein bearbeitetes Foto von einem Tattoo des Logos links auf seiner Brust hinzu.

Eine Zeit lang erhielt er keine Antwort und eines Tages hatte er es satt, per Hand zu schreiben und Photoshop zu benutzen, und er fing etwas Neues an. Er vermutete, es sei inzwischen eine bekannte Masche und dass die Kommunikationsabteilung jedes mittelständischen Betriebes misstrauisch sein müsste. Dennoch trudelten in den letzten Wochen Pakete aus allen Arten von Firmen ein. Ich erhielt meine ersten Geschenke und die Postboten hörten gar nicht mehr auf, an der Tür zu klingeln. Der Großteil waren Werbegeschenke von geringem Wert. Ich gratulierte Lucas zu seiner Idee. Wir gaben uns ein High five.

Lito schlürfte einmal an seinem Kaffee, sah uns an und sagte sehr ernst:

»Ich arbeite für die CIA und die NASA.«

Ich ließ die beiden im Café zurück. Es wurde Zeit für die Arbeit. Wenigstens musste ich dank des üppigen Frühstücks nichts zum Mittagessen kochen. Auf dem Weg nach Hause bekam ich eine Nachricht von Elia. Sie lud mich ein, am selben Abend mit einem paar Freunden in eine Bar zu gehen. Kino- und theaterinteressierte Leute, sagte sie. Ich scheute mich davor ihr zu sagen, dass meine Arbeit darin bestand, große Mixer zu putzten. Außerdem war es mein letzter Arbeitstag in der Fabrik. Ich schrieb ihr, dass ich an dem Abend schon etwas vorhätte. Die Angst. Die Angst wovor.

Die Angst, wenn sie sich mit der Liebe vermischt, bringt dich immer dazu, doppelt so lächerliche Handlungen zu tun.


Steckbrief und Übersetzung von Daria Patrycja Barczyk im Mentorat mit der Übersetzerin Lea Hübner

Beiträge zur spanischsprachigen Literatur

Beiträge zu anderen romanischen Sprachen

Das Projekt


Bildquelle

Carlos Langa – https://www.elconfidencial.com/cultura/2021-05-12/carlos-langa-la-vida-es-un-cuadro-de-hooper_3072631/

Comments are closed